Der umweltpolitischer Sprecher Tobias Urbach findet die Stadt könnte saugfähiger sein. Er möchte das
Stockholmer Modell nach Neuss bringen.
Nicht auszudenken, wie viele Millionen Liter ein XXL-Schwamm speichern würde, wenn man ihn unter
der Stadt, unter den Straßen, unter den zwischen Parkplätzen und in Fußgängerzonen eingefassten
Bauminseln platzierte. Gerade im Kontext von immer längeren Hitze- und Dürreperioden muss die
Stadt Neuss sich klimaresistenter aufstellen. Genau das ist das denkbar einfache und bislang doch nur
selten angewandte Prinzip der Schwammstadt, der u.a. sogenannten „Schwammstadt für
Stadtbäume“.
Stadtbäume werden im verbauten Gebiet im Schnitt nur etwa 20 bis 25 Jahre alt. „Unter den
derzeitigen Bedingungen können sie ihr Potential, das Klima durch Beschattung und Verdunstung
lokal zu puffern, nicht annähernd ausschöpfen. Und das ist schade.“ findet der umweltpolitische
Sprecher der Fraktion UWG/Freien Wähler-Aktiv für Neuss Tobias Urbach.
Ein herkömmlicher Stadtbaum hat wenig Platz für Wurzeln und Krone, steht auf verdichteten Böden,
hält Streusalz im Winter stand, erträgt und filtert verschmutzte Luft und verliert
Niederschlagswasser, das in den Kanal abgeleitet wird. Steigende Temperaturen, lange
Trockenphasen und Hitzewellen stressen die Bäume zusätzlich. Damit einhergehend steigt die
Bedeutung der Bäume als lebende Klimaanlagen, die ihre Umgebung kühl halten. Damit Bäume
dieser Funktion auch in Zukunft gerecht werden können, benötigen sie bessere Lebensbedingungen,
allen voran mehr Wurzelraum.
Die Funktionsweise lautet: Statt in enge Baumgruben gesteckt zu werden, umzingelt von versiegelten
und viel zu stark verdichteten Böden, werden die Jungbäume in ein luftiges Schotterbett eingepflanzt,
das sich unter dem Straßenbelag fortsetzt und den Wurzelballen ausreichend Platz gibt, um sich
auszudehnen und jahrzehntelang weiterzuwachsen.
„Ein positiver Effekt der „Schwammstadt“ ist, dass im Wurzelwerk und im umliegenden Erdreich
mittelfristig immense Wassermengen gespeichert werden können“, sagt Urbach. „Das städtische
Kanalnetz kann entlastet werden und das Regenwasser auf diese Weise abgefangen werden.
So gesehen ist ein speicherfähiger Stadtuntergrund eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle
infrastrukturelle Maßnahme.“
Um die Effizienz zu erhöhen, sind die einzelnen Schotterkörper im Untergrund wie kommunizierende
Gefäße miteinander verbunden. Der grob- und feinteilige Schotter saugt sich wie ein poröser
Badeschwamm voll, gleicht die Wasserversorgung zwischen privilegierten und weniger privilegierten
Baumstandorten aus und hält das überschüssige Wasser über einen Zeitraum von mehreren Stunden
oder gar Tagen zurück, ehe es schließlich nach und nach ins städtische Kanalnetz durchsickert.
Auch auf Friedhöfen könnte man so auf das Wasser mittels Zisternen zurückgreifen.
„Der durchlässige Untergrund ist nicht nur gesund für den Baum, sondern entlastet auch die technische
Infrastruktur. Eine Schwammstadt zu bauen ist daher wirtschaftlicher und nachhaltiger, als Kanäle neu
zu errichten oder bestehende Kanäle im Querschnitt zu erweitern“, meint Urbach.
In Neubaugebieten sei die Errichtung von Schwämmen nicht aufwendiger als der Bau herkömmlicher
Baugruben. Aber auch in der bestehenden Stadt rentiere sich eine nachträgliche, technisch und
logistisch aufwendige Verschwammung innerhalb weniger Jahre, wie Urbach versichert, und er zählt
als Gründe dafür auf: „Weniger Kanalanpassungen, geringere Baumpflege, weniger Ausfälle, und
zudem wachsen die Bäume schneller und stärker, was wiederum der Verschattung und dem
Mikroklima zugutekommt.“
Gesunde Bäume seien schließlich der günstige und effizienteste Klimaregulator für die Stadt, den man
sich vorstellen könne. „Die Starkregenereignisse nehmen auch in Mitteleuropa von Jahr zu Jahr zu.
Früher oder später werden wir keine andere Wahl haben, als mit allen uns zur Verfügung stehenden
Mitteln die Klimakrise in den Griff zu bekommen.“
„Gute Gründe für die Schwammstadt gibt es viele“, sagt Tobias Urbach. „Tatsächlich ist aber noch
einiges an Forschung und Entwicklung nötig.“ Daher hat der umweltpolitische Sprecher mit seiner
Anfrage die ersten Weichen gestellt.